Beitrag zum 95. Thema des Blogideekasten: Heimat (Verbundenheit)
Ich bin in einem kleinen Landkreis mitten im tiefsten Niederbayern geboren. Der Ort, wo ich aufgewachsen bin, hat 14 Einwohner. Wir sind drei Höfe, unserer und der meines Onkels mit seiner Familie ist stillgelegt, der dritte wird noch bewirtschaftet.
Egal wohin ich schaue, von zuhause aus sehe ich immer nur Wald und Felder. Und ein paar Kirchturmspitzen vielleicht.
Zuhause habe ich Matschkugeln gerollt, bin durch die Wälder gegangen, auf Bäume geklettert, bin barfuß in Wespen und Hühnerkacke getreten. Ich bin auf Strohballen geklettert und habe tiefsinnige Gedanken gedacht, die man so hat wenn man in der Pubertät ist, ich hab Verstecke gesucht und gefunden und habe mit Freunden alles zu meinem gemacht, was ich zu meinem machen konnte.
Die Städte, in denen ich zur Schule ging, waren klein. Stadtbusse gab es nicht und auch wenn mir damals alles groß vor kam, Stadt eben, war man in nicht einmal einer halben Stunde zu Fuß so ziemlich überall.
Die Stadt war voll und laut und das Kopfsteinpflaster unter meinen Füßen fühlte sich an wie tausend Möglichkeiten.
Im Gegensatz zu anderen wurde mir das alles nicht zu klein. Ich war immer gerne zuhause, in der Natur, wo alles ruhig ist.
Je älter ich wurde, umso öfter besuchte ich große Städte, fuhr ich lange Strecken mit dem Zug. Ich sah, wie klein und gemütlich meine eigene Welt war, und liebte sie von ganzem Herzen. Die größeren Städte waren aufregend und steckten voller verschiedener Wege und ich fühlte mich stark, wenn ich alleine durch die Welt reisen konnte.
Mit 18 zog ich weg, um an der Uni zu studieren. Die Stadt konnte sich bereits Großstadt nennen (wenn auch gerade so), es gab verschiedene Buslinien die alle paar Minuten oder mindestens einmal in der Stunde fuhren, mindestens drei Supermärkte in unmittelbarer Nähe und einen ICE-Bahnhof. Die Stadtteile waren groß und die Straßenbahn das Symbol für Spontanität.
Meine Wohnung war ganz anders als das große Haus, in dem ich aufgewachsen war, aber eine meiner besten Freundinnen schlief im Zimmer nebenan und in den ersten Wochen fühlte es sich an wie eine Reise und übernachten.
Die Dinge sammelten sich und die Wohnung wurde gemütlich und der Alltag brachte das Gefühl von Sicherheit. Ich fing an "zu Hause" anstatt "in der Wohnung" zu sagen. Der Schlüssel in der Hand und der Ausblick aus dem Fenster fühlten sich nicht mehr ungewohnt an, und ich konnte die Buslinien auswendig.
Verschiedene Ecken der Stadt zu sehen, schrumpfte sie in Gedanken. Auch zu Fuß wurden die Wege kürzer und überschaubarer, die Straßennamen klangen nicht mehr fremd und ich wusste, wo ich welche Dinge kaufen konnte.
Der Unterschied zu den Millionenstädten, die ich manchmal besuchte, wurde langsam klar.
Jetzt ist es zweieinhalb Jahre später und ich wohne immer noch hier, und irgendwann, während der Alltag passierte, und Wochen und Monate und Feste und Prüfungen und Zugfahrten und Besuche, ist es eine zweite Heimat geworden. Den Ausblick auf die Stadt zeige ich mit Stolz, ich kenne Restaurants und schöne Plätze und gute Bäckereien, und Touristen erkläre ich den Weg.
Meine Wohnung ist Geborgenheit und das Holz des Treppengeländers in dem alten Gebäude an der Uni fühlt sich beinahe an wie Liebe und die Sonne im Gesicht mit den Beinen über dem Fluss neben all den anderen Leuten die dort sitzen, ist meins.
Wenn ich nicht hier bin, vermisse ich es.
Und ich vermisse auch den Ort, wo ich aufgewachsen bin und das Haus meiner Eltern ist immer noch zuhause und die Wälder und Wiesen sind wie immer und die kleine Stadt, in der der zweiwagonige Zug hält, ist immer noch meine - vielleicht mehr als je zuvor.
Die Frage danach, woher ich komme, beantworte ich mit Stolz und wenn der Bahnhof in Sicht kommt muss ich lächeln und wenn ich für längere Zeit dort bin, ist alles anders aber doch genauso wie immer.
Heimat ist das, was ich vermisse wenn ich nicht dort bin, und wo ich mich wohl fühle, wenn ich es habe. Heimat ist Stolz und Geborgenheit und Zufriedenheit, Heimat ist meins, Vertrautheit und Glück.
Meine Freundin ist auch Heimat, und meine Freunde sind Heimat. Meine Familie ist Heimat und die Orte, wo ich wohne.
Egal wo ich bin, es wird immer eine Heimat geben, die mir fehlen wird. Eine, die ich schrecklich vermisse und wegen der sich mein Herz verkrampft, weil sie nicht da ist.
Aber egal wie oft ich irgendwohin reise, fast immer ist es an einen Ort (oder zu einem Mensch, oder beides), den ich Heimat nenne. Egal wohin ich fahre, ich weiß dass ich dort ein zuhause habe, und ich weiß, dass ich mich seit langem darauf freue.
Irgendwann werde ich vielleicht von meiner neuen Heimatstadt weg müssen.
Vor einem Jahr dachte ich, ich würde nach dem Bachelor zu Karo ziehen. Bei dem Gedanken daran, dass ich meine neue Heimat zurücklassen müsste, und dass die Heimat in der ich groß geworden bin sooo weit weg sein würde, wurde mir regelmäßig schlecht.
Jetzt werde ich hier bleiben, und weiterhin mit vielen Heimaten und Entfernungen jonglieren, erst mal. Was dann kommt, wer weiß. Vielleicht werde ich an einem neuen Ort eine Heimat finden, vielleicht werde ich eine Heimat zurücklassen und nur in Erinnerungen behalten.
Ich weiß nur, dass ich die Heimaten, die ich jetzt habe, und die Geborgenheit die sie mir schenken, von ganzem Herzen liebe. Und das wahrscheinlich für immer tun werde.
Und jetzt esse ich Pommes.
:)
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