Montag, 13. März 2017

Ich weiß, du willst nur, dass ich nicht in die Hölle komme. (oder: Ach ja, diesen Blog gibt's ja auch noch.)

"Wann hast du dich geoutet?"
"Ach, das war am 23.10.2015, ein warmer Sonntag. Seitdem feier ich jedes Jahr ein Outingfest. Komm doch mal."

Wie schön es wäre, wenn das so einfach ginge...
Geoutet ist man nie vollständig, es ist nie nur ein Gespräch und dann kann man offen und genauso wie ein Hetero-Mensch leben. Jede neue Person ist ein neues Outing. Und manchmal fühlt es sich auch jedesmal wieder wie ein Outing an, über die gleichgeschlechtliche Beziehung zu reden, obwohl die Person das eigentlich schon weiß.

Meine Oma ist ein Beispiel für so eine Person. Sie weiß, dass ich eine Freundin habe. Sie weiß das seit dreieinhalb Jahren und wenn meine Freundin bei mir zuhause ist (was selten vorkommt, weil Fernbeziehung und weil ich zum Studium woanders lebe), spricht sie sie sogar manchmal an (wow!). Aber es wirkt immer so, als ob sie sie nur als "eine Freundin" anstatt "meine Freundin" behandelt, wenn sie gar nicht ausweichen kann, und als ob sie ansonsten immer ausweicht.
Gerade komme ich von einem Verwandtschaftstreffen, mit ihr und ihrem Partner, Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins. Unterhaltungen in dieser Runde laufen dann ungefähr so ab:
Cousine: "Ja, ganz viele meiner Freunde ziehen ja jetzt schon mit ihren Partner zusammen."
Bruder: "Wie lang seid du und Felix gleich noch mal zusammen?"
Cousine: "Das sind dann jetzt... drei Jahre."
Oma: "Laura, du bist jetzt dann..."
Ich, warte gespannt und leicht schockiert ob sie jetzt ECHT fragt wie lange ich mit meiner Freundin zusammen bin...
Oma: "... 22 im April, oder?"
Ich: :/ :( ugh
Und so ist das immer. Oder, noch besser: Mein Bruder, zwei Jahre jünger, hat jetzt seit ein paar Wochen eine Freundin. Er zeigt das Bild rum, Oma will es auch sehen. Wollte sie jemals ein Bild von mir und meiner Freundin sehen? Hat sie jemals nachgefragt nach meiner Beziehung, so wie sie es bei meiner Cousine, meinem Cousin, jetzt auch meinem Bruder macht? Hat sie JEMALS anerkannt, dass ich jetzt in einer VIERjährigen Beziehung bin, dass ich einen Menschen in meinem Leben habe der für mich genau das ist wie die Partner ihrer anderen Enkel? Nein, das hat sie nie.
Und das tut weh.

Ich kann ihr allerdings auch nicht böse sein, weil ich weiß, dass sie das nicht tut um mir weh zu tun. Eher im Gegenteil. Sie ist katholisch, und wahrscheinlich macht sie sich ganz große Sorgen um mich, dass ich in die Hölle kommen werde, weil ich mit einer Frau zusammen bin. Ich weiß dass sie mich liebt, das sehe ich in ganz vielen Dingen die sie für mich tut, das weiß ich. Und... ich verstehe das. Wenn man jemanden liebt, will man, dass der Person nichts schlimmes passiert. Und wenn sie glaubt dass ich in die Hölle kommen werde, und sie nichts dagegen tun kann, dann ist das schwer für sie. Das verstehe ich.
Aber trotzdem fühlt es sich so schrecklich an, wenn meine Beziehung einfach überhaupt nicht anerkannt wird, nur, weil sie mit einer Frau ist.

Leider schaffe ich selbst es auch nicht, von mir aus darauf zu sprechen zu kommen. Es fällt mir sehr schwer, Dinge zu tun von denen ich weiß, dass sie anderen Leuten unangenehm sind. Und deshalb kann ich mit den Menschen in meiner Verwandtschaft, von denen ich weiß dass sie ein Problem damit haben, einfach nicht über meine Beziehung reden, während ich bei den Tanten die nachfragen oder quasi allen anderen Menschen in allen anderen Lebensbereichen überhaupt kein Problem habe, total offen zu sein und meine Beziehung genau so zu behandeln wie sie ist: normal.

Das alles ist noch eine work in progress, und ich bin sicher, dass das einfacher werden wird. Ich muss es halt nur immer und immer wieder versuchen, einfach über meine Beziehung zu reden, auch wenn meine Oma dann vielleicht nur schweigt und nichts sagt und ich nicht weiß was sie denkt. Das ist eben wie bei jedem Outing: Erst versucht man es ganz oft und traut sich nicht, aber jeder Versuch bringt einen ein klitzekleines bisschen weiter, bis man es schließlich doch schafft, eine Gelegenheit zu nutzen.

Es ist halt schwer für mich, für andere eine Belastung zu sein. Aber ich bin es auch leid, dass deshalb diese Leute dann für mich eine Belastung sind. Ich muss mir nehmen was ich brauche, und wenn meine Oma es nicht schafft das in ihren Glauben einzubauen, dann tut es mir sehr Leid, dass sie sich dieses Leid zufügt, aber es ist nicht meine Schuld.
(Und ich wünsche es ihr so sehr, dass sie sieht, dass ich niemandem was böses tue. Ich liebe einfach nur. Für Liebe kommt man in keine Hölle.)