Mittwoch, 15. Juni 2016

Ein tolles Video zum Massaker in Orlando.

Natürlich ist Amerika nicht nur schlecht, und es gibt auch wunderbare Menschen dort, die für die richtigen Dinge kämpfen.

Einer, der mich sehr berührt, ist Tyler Oakley, und er hat dieses tolle Video dazu gemacht, wie er sich gefühlt hat, warum LGBTQ+-Menschen nicht den Mut verlieren sollen, und was man tun kann.


Danke, Deutschland, dass du nicht Amerika bist.

Am Sonntag wurden in einem Schwulenclub in Orlando 49 Menschen getötet.
Es war Latino-Nacht, es waren Trans*-Menschen dort, und es waren unzählige LGBTQ+ Menschen einfach in einer Bar, in der sie sich sicher fühlen wollten.
Omar Mateen schoss dort mit einer Waffe um sich. 49 Menschen starben, genauso viele wurden schwer verletzt.
Omar Mateen war 29. Er rief vor der Tat bei der Polizei an, sagte, er sei Teil des IS. Sagte, es wäre ein islamistischer Akt.
Das FBI fand keine Verbindungen zu islamistischen Gruppen.
Omar Mateen wurde vorher mehrmals in dem Club gesehen. Er war auf einer schwulen Dating-App angemeldet. Von Menschen in seinem Leben wurde er als homophob bezeichnet.

Danke, Deutschland, dass du diese Fakten nennst. Danke, dass du sagst, dass es wahrscheinlich kein Angriff des Islams auf Amerika war, sondern ein Angriff eines LGBTQ+-Hasser auf diese Menschen. Du sagst es erst im zweiten Satz, aber immerhin sagst du es.

Danke, Deutschland, dass du nicht Trump bist. Danke, dass du nicht Glückwünsche entgegen nimmst, weil du gleich gewusst hättest, dass die Muslime dir nicht gut tun. Danke, dass du nicht heuchlerisch über LGBT-Menschen redest, in dem gleichen Satz in dem du deine Wahlkampfgegnerin schlecht machst, während jeder weiß, dass du uns nicht magst.
Nein, Amerika ist nicht nur Trump. Ja, einzelne Menschen, die unglaublich schrecklich sind, kann es überall geben.
Du kannst nichts dafür, Deutschland, dass du jetzt gerade kein so schreckliches Monster mit so großer Macht hast. Trotzdem, ich bin dankbar.

Danke, Deutschland, dass hier nur 1,01 Menschen pro 100.000 Einwohner jährlich durch eine Schusswaffe sterben, während es in Amerika 10,54 pro 100.000 sind.

Danke, Deutschland, dass du strengere Waffengesetze hast. Danke, dass du ein nationales Waffenregister eingeführt hast. Danke, dass du nicht in der Verfassung ein Recht auf eine eigene Waffe regelst. Danke, dass du verlangst, dass potentielle Käufer sich überprüfen lassen müssen. Danke, dass du verlangst, dass es einen Grund geben muss, warum man die Waffe benötigt. Danke, dass du all diese Regeln für uns aufstellst, während Amerika das nicht tut.

Danke, Deutschland, dass es hier deshalb "nur" 30,3 Schusswaffen (legal und illegal) auf 100 Einwohner bei normalen Bürgern gibt. Nicht 101,5, wie in Amerika.
Hunderteins. Pro Hundert.

Danke, Deutschland, dass du die "other countries" in dieser Grafik bist.


Deutschland, du bist nicht immer so wirklich toll. Deine Politik macht mir manchmal richtig Angst. Du liefert so viele Waffen an andere Länder. Es gibt Länder, in denen weniger Privatpersonen Schusswaffen besitzen als hier und es weniger Tote durch diese gibt. Du hast die AfD, und du hast fragwürdige Flüchtlingspolitik, und auch du hast steigende Fremdenfeindlichkeit. Du hast die Ehe noch nicht für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, und auch sonst gibt es vieles wo du gerne konservativ bleibst, während ich mir Fortschritt wünsche.

Aber du bist Nummer 16 von 163 Ländern im Global Peace Index, und Amerika ist 103.
Ich muss nicht deinen mächtigsten Politikern schreiben, verzweifelt, damit die mehr als "thoughts and prayers" anbieten und tatsächlich etwas tun. Ich muss nicht um strengere Waffengesetze flehen und wissen, dass mein Nachbar, meine Familie, vielleicht ganz anders denkt.
Ich muss nicht entsetzt vor einer Statistik sitzen, die mir sagt, dass in meinem Land mehr Massaker in 2016 waren, als es bisher Tage gab.

Ich sehe Aufrufe, etwas zu tun, verzweifelt und herzergreifend, und ich spende für Organisationen, die für strengere Waffengesetze in Amerika kämpfen, obwohl das nicht mein Land ist.
Ich muss NICHT meinen Politikern schreiben, um für mich selbst diese Waffengesetze zu erreichen.
Du hast sie schon, Deutschland.
Danke.

Dir wird oft nur gesagt, was du falsch machst. Ich bin dabei genauso schuldig wie der nächste.
Ich will das heute anders machen. Mir ist das wichtig, was du mir gibst. Mir ist das wichtig, dass deine Waffengesetze so streng sind und ich mich deshalb hier so sicher fühle.
Bitte bleib weiter so. Ich brauche dich so.

Du bist nicht Amerika, und ich danke dir dafür.

Montag, 25. April 2016

Heimat

Beitrag zum 95. Thema des Blogideekasten: Heimat (Verbundenheit)

Ich bin in einem kleinen Landkreis mitten im tiefsten Niederbayern geboren. Der Ort, wo ich aufgewachsen bin, hat 14 Einwohner. Wir sind drei Höfe, unserer und der meines Onkels mit seiner Familie ist stillgelegt, der dritte wird noch bewirtschaftet.
Egal wohin ich schaue, von zuhause aus sehe ich immer nur Wald und Felder. Und ein paar Kirchturmspitzen vielleicht.
Zuhause habe ich Matschkugeln gerollt, bin durch die Wälder gegangen, auf Bäume geklettert, bin barfuß in Wespen und Hühnerkacke getreten. Ich bin auf Strohballen geklettert und habe tiefsinnige Gedanken gedacht, die man so hat wenn man in der Pubertät ist, ich hab Verstecke gesucht und gefunden und habe mit Freunden alles zu meinem gemacht, was ich zu meinem machen konnte.

Die Städte, in denen ich zur Schule ging, waren klein. Stadtbusse gab es nicht und auch wenn mir damals alles groß vor kam, Stadt eben, war man in nicht einmal einer halben Stunde zu Fuß so ziemlich überall.
Die Stadt war voll und laut und das Kopfsteinpflaster unter meinen Füßen fühlte sich an wie tausend Möglichkeiten.
Im Gegensatz zu anderen wurde mir das alles nicht zu klein. Ich war immer gerne zuhause, in der Natur, wo alles ruhig ist.

Je älter ich wurde, umso öfter besuchte ich große Städte, fuhr ich lange Strecken mit dem Zug. Ich sah, wie klein und gemütlich meine eigene Welt war, und liebte sie von ganzem Herzen. Die größeren Städte waren aufregend und steckten voller verschiedener Wege und ich fühlte mich stark, wenn ich alleine durch die Welt reisen konnte. 

Mit 18 zog ich weg, um an der Uni zu studieren. Die Stadt konnte sich bereits Großstadt nennen (wenn auch gerade so), es gab verschiedene Buslinien die alle paar Minuten oder mindestens einmal in der Stunde fuhren, mindestens drei Supermärkte in unmittelbarer Nähe und einen ICE-Bahnhof. Die Stadtteile waren groß und die Straßenbahn das Symbol für Spontanität.
Meine Wohnung war ganz anders als das große Haus, in dem ich aufgewachsen war, aber eine meiner besten Freundinnen schlief im Zimmer nebenan und in den ersten Wochen fühlte es sich an wie eine Reise und übernachten.

Die Dinge sammelten sich und die Wohnung wurde gemütlich und der Alltag brachte das Gefühl von Sicherheit. Ich fing an "zu Hause" anstatt "in der Wohnung" zu sagen. Der Schlüssel in der Hand und der Ausblick aus dem Fenster fühlten sich nicht mehr ungewohnt an, und ich konnte die Buslinien auswendig.
Verschiedene Ecken der Stadt zu sehen, schrumpfte sie in Gedanken. Auch zu Fuß wurden die Wege kürzer und überschaubarer, die Straßennamen klangen nicht mehr fremd und ich wusste, wo ich welche Dinge kaufen konnte.
Der Unterschied zu den Millionenstädten, die ich manchmal besuchte, wurde langsam klar.

Jetzt ist es zweieinhalb Jahre später und ich wohne immer noch hier, und irgendwann, während der Alltag passierte, und Wochen und Monate und Feste und Prüfungen und Zugfahrten und Besuche, ist es eine zweite Heimat geworden. Den Ausblick auf die Stadt zeige ich mit Stolz, ich kenne Restaurants und schöne Plätze und gute Bäckereien, und Touristen erkläre ich den Weg.
Meine Wohnung ist Geborgenheit und das Holz des Treppengeländers in dem alten Gebäude an der Uni fühlt sich beinahe an wie Liebe und die Sonne im Gesicht mit den Beinen über dem Fluss neben all den anderen Leuten die dort sitzen, ist meins.
Wenn ich nicht hier bin, vermisse ich es.

Und ich vermisse auch den Ort, wo ich aufgewachsen bin und das Haus meiner Eltern ist immer noch zuhause und die Wälder und Wiesen sind wie immer und die kleine Stadt, in der der zweiwagonige Zug hält, ist immer noch meine - vielleicht mehr als je zuvor.
Die Frage danach, woher ich komme, beantworte ich mit Stolz und wenn der Bahnhof in Sicht kommt muss ich lächeln und wenn ich für längere Zeit dort bin, ist alles anders aber doch genauso wie immer.

Heimat ist das, was ich vermisse wenn ich nicht dort bin, und wo ich mich wohl fühle, wenn ich es habe. Heimat ist Stolz und Geborgenheit und Zufriedenheit, Heimat ist meins, Vertrautheit und Glück.
Meine Freundin ist auch Heimat, und meine Freunde sind Heimat. Meine Familie ist Heimat und die Orte, wo ich wohne.
Egal wo ich bin, es wird immer eine Heimat geben, die mir fehlen wird. Eine, die ich schrecklich vermisse und wegen der sich mein Herz verkrampft, weil sie nicht da ist.
Aber egal wie oft ich irgendwohin reise, fast immer ist es an einen Ort (oder zu einem Mensch, oder beides), den ich Heimat nenne. Egal wohin ich fahre, ich weiß dass ich dort ein zuhause habe, und ich weiß, dass ich mich seit langem darauf freue.

Irgendwann werde ich vielleicht von meiner neuen Heimatstadt weg müssen.
Vor einem Jahr dachte ich, ich würde nach dem Bachelor zu Karo ziehen. Bei dem Gedanken daran, dass ich meine neue Heimat zurücklassen müsste, und dass die Heimat in der ich groß geworden bin sooo weit weg sein würde, wurde mir regelmäßig schlecht.
Jetzt werde ich hier bleiben, und weiterhin mit vielen Heimaten und Entfernungen jonglieren, erst mal. Was dann kommt, wer weiß. Vielleicht werde ich an einem neuen Ort eine Heimat finden, vielleicht werde ich eine Heimat zurücklassen und nur in Erinnerungen behalten.

Ich weiß nur, dass ich die Heimaten, die ich jetzt habe, und die Geborgenheit die sie mir schenken, von ganzem Herzen liebe. Und das wahrscheinlich für immer tun werde.

Und jetzt esse ich Pommes.
:)

Dienstag, 22. März 2016

Warum ich Angst habe.

Das was hier folgt habe ich genauso auf facebook eingestellt. Ich hab heute viel nachgedacht und hab Angst vor der Zukunft, und auf facebook gibt es vielleicht Menschen, die anders denken als ich, und bei denen ich noch was bewirken kann. Ich muss es einfach versuchen.
Ich habe Angst.
Was zurzeit in der Welt passiert, ist überwältigend und bedrohlich und frustrierend und einschüchternd.
Teilweise bis zu 20% der Menschen die zur Wahl gehen, wünschen sich hierzulande eine Partei an die Macht, die Dinge sagt, wie man sie wohl kurz vor 1933 überall lesen konnte.
Dinge, die die AfD will, sind zum Beispiel: 
- Täter, die alkohol- oder psychisch krank sind, nicht therapieren, sondern zu reinen Gefängnisstrafen verurteilen
- Alleinerziehende nicht mehr staatlich unterstützen (da "selbstgewählte Situation")
- Wehrpflicht wieder einführen 
- vom Staat finanzierte Fernsehsender einführen
Davon abgesehen wird zum Beispiel der Klimawandel geleugnet, anstatt ihn anzugehen, oder am Antidiskriminierungsgesetz gekürzt - für mich als Lesbe nicht gerade beruhigend.
(Mehr Infos zu all dem gibt es unter anderem in diesem klar strukturiertem Artikel: https://correctiv.org/…/03/14/das-afd-programm-entschluess…/)
Das alles macht mir Angst. Für mich sind das alles Entscheidungen, die ganz grundlegend falsch sind, die uns als Bürger in unserer Mündigkeit einschränken würden, uns kontrollieren und sozial weniger unterstützen, die uns fünfzehn Schritte zurück gehen lassen und aus dem Land, das ich als relativ frei und sicher und gut empfinde, für mich ein dunkles, beängstigendes und rückständiges machen. Eins, in dem ich mich nicht wohl fühlen würde.
Noch nicht so schlimm wäre das, wenn nur ein paar verrückte Leute das gut finden würden.
Schlimm ist es, weil es so viele sind. Weil, rein statistisch gesehen, von den Leuten die mich hier als Freunde haben, bestimmt auch welche dabei sind, die die AfD gut finden. Und das ist es, was mir verdammt Angst macht. Weil es realistisch scheint, dass die AfD noch mehr Macht bekommt.
Und weil für mich als eigentlich immer optimistisch in die Zukunft blickendenen Menschen plötzlich Gedanken an Unterdrückung und Krieg aufkommen.
Nicht weniger schlimm als der Zuspruch zur AfD hierzulande ist für mich der Zuspruch für Trump in den USA. Beide sind für mich komplett auf einer Ebene. Radikale Rechte, die die soziale und gute Arbeit, die in der Politik in Jahrzehnten erreicht wurde, zugrunde richten würden, wenn sie nur könnten.
(Ich hoffe, sie werden nicht können.)
Heute gab es einen Anschlag in Brüssel. Menschen sind gestorben. So wie ständig in anderen Ländern, aber jetzt mal wieder ganz nah bei uns. 
Ich habe Angst, dass das hier auch passiert.
Noch mehr Angst habe ich davor, wie Menschen darauf reagieren, und dass der Fremdenhass und die Rechtsradikalität, aber auch die rechten Gedanken im Kleinen, größer werden.
Ich verstehe, wenn Menschen - auch du, der du das hier vielleicht liest - Angst vor dem Flüchtlingsstrom haben. Es ist beängstigend. Ja. Es ist was großes, was da passiert, und es macht uns als Land Probleme, und wir müssen schauen, wie wir damit umgehen können. Vielleicht müssen wir Einbußen machen.
Aber das ist es eben, was wir tun müssen. Wir können nicht die Augen verschließen und in unserer Angst wütend werden.
Wir können nicht das tun, was unserer Vorfahren vor gerade mal 60 Jahren getan haben.
Es ist gerade mal etwas über 60 Jahre her, dass wir mitten im Krieg steckten, weil unsere Vorfahren - nur zwei, drei Generationen vor uns! - nicht frühzeitig die Warnsignale gesehen haben und für soziale, menschliche, progressive Politiker gestimmt haben.
Ich weiß, Menschen haben Angst. Ich weiß, Menschen sind unzufrieden. Aber verdammt noch mal, wir können uns davon nicht unsere Zukunft verbauen. Wir wollen doch alle glücklich und frei in diesem Land leben. Das wollen wir alle, ob links, rechts, oder irgendwo in der Mitte. 
Aber das können wir nur, wenn wir jetzt nicht die gleichen Schritte gehen wie die Menschen vor uns, als sie Hitler an die Macht setzten.
Und das tun viel zu viele Menschen in diesem Land gerade.
Du, der das hier liest: Pass auf. Informiere dich. Trau dich, dich auch mal mit der Gegenmeinung auseianderzusetzen - sei das eher rechts, oder eher links, das ist egal, es ist wichtig, dass wir das "dagegen" verstehen lernen.
Erinnere dich daran, dass wir schon zwei mal einen Weltkrieg begonnen haben. Wollen wir diese Tradition wirklich weiterführen?
Denke daran, dass auch Deutsche schon in andere Länder flüchten mussten.
Denke daran, dass du an Weihnachten zwanzig Euro für die Menschen in armen Ländern spendest, weil sie dir da einmal im Jahr Leid tun. Es tut weh, diese Menschen jetzt bei uns zu sehen, ja, weil dir ihr Leid weh tut, aber mit deinen zwanzig Euro konntest du sie eben nicht wegkaufen. Sie sind jetzt hier, und wir müssen uns kümmern.
Und verdammt noch mal: Wähl nicht die AfD.